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Kelly stand bei den Irakern im Wort

Britischer Waffenexperte versprach Nichtangriff bei Kooperation - Hoher moralischer Druck der Bahai-Religion

von Thomas Kielinger

London - David Kelly, der am 17. Juli freiwillig aus dem Leben geschiedene Berater der Blair-Regierung über Massenvernichtungswaffen, hat die Umstände seines Todes auf beklemmend genaue Weise vorausgesagt. Im Gespräch mit David Broucher, Londons Vertreter bei der UN-Abrüstungsbehörde in Genf, machte Kelly im Februar eine Bemerkung, welcher Broucher keine Bedeutung zumaß, bis er sie in einem elektronischen Brief an das Foreign Office wieder aus der Erinnerung hervorholte.

Auf die Frage, was im Falle eines Angriffs auf den Irak mit ihm, David Kelly, passieren würde, antwortete der Wissenschaftler seinerzeit, dann würde man ihn "wahrscheinlich tot im Wald auffinden". Genauso, am Rande eines Waldes in den Südoxforder Hügeln nahe seiner Heimatstadt, fand man Kelly am 18. Juli verblutet auf, mit durchtrennten Pulsadern.

Diese und andere Einzelheiten schilderte David Broucher in einer E-Mail vom 5. August an Patrick Lamb, einen hohen Mitarbeiter im britischen Außenministerium. Die Information darüber am Ende der zweiten Woche der Hutton-Anhörungen ist geeignet, das psychologische Umfeld der bisherigen Untersuchung radikal zu verändern. Die Ironie wollte es, dass viele Medienvertreter den Auftritt Brouchers gar nicht mehr abgewartet hatten, da sie von diesem in der Öffentlichkeit weit gehend unbekannten Zeugen nichts Besonderes erwarteten.

Seine sensationelle Äußerung machte Kelly gegenüber dem Karrierediplomaten im Zusammenhang ihres Gespräches über die Waffenbefähigung des Irak. Der ehemalige UN-Waffeninspekteur, der 36 Mal den Irak besucht hatte und als einer der präzisesten Befrager der irakischen Wissenschaftler galt, enthüllte dabei, dass er auch nach Abzug der früheren Unscom-Inspekteure im Herbst 1998 weiter Kontakt hielt mit den irakischen Experten zur Herstellung von ABC-Waffen.

Diese hatten ihm von ihrer Sorge erzählt über einen möglichen Angriff der Anglo-Amerikaner, "falls sie zu viel über die Waffen enthüllten". Um sich das Vertrauen seiner Kontaktleute zu sichern, ging Kelly so weit zu versichern, dass sie, "wenn sie die Forderungen der westlichen Inspekteure erfüllten, nicht\ angegriffen würden".

Das war offensichtlich eine Zusage zu viel, die auch ein so bedeutsamer Kenner wie Kelly schlechterdings nicht abgeben konnte. In dem Gespräch mit Broucher muss ihn die Wahrscheinlichkeit des bevorstehenden Krieges daher tief beunruhigt haben, in dem Sinne, dass dann, wie Broucher schreibt, "er als Lügner dastünde, weil er seine Kontaktleute verraten habe, von denen einige als direkte Folge seiner Handlungen getötet werden könnten". Was daraus folge, fragte ihn der Diplomat, worauf ihm Kelly antwortete, "dass er wahrscheinlich tot im Wald gefunden würde". Broucher bezog dies zunächst auf mögliche Racheakte der Iraker, "doch muss ich heute sehen, dass er (Kelly) entlang einer ganz anderen Linie gedacht haben mochte".

Diese "ganz andere Linie", wie man vermutet, hat möglicherweise mit der Bahai-Sekte zu tun, der Kelly angehört hatte und deren Lehre "absolute Treue zum einmal gegebenen Wort einschließt", wie Barney Leith, Generalsekretär der Bahai in Großbritannien, dem "Guardian" gegenüber sagte. Die mögliche Rolle des Bahai-Glaubens in Kellys Leben wird Leith vor dem Hutton-Ausschuss erläutern. Das alles lässt vermuten, dass Kelly auch die Halb- und Unwahrheiten seiner Aussagen vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss nicht verkraftet haben mag.

Die Hutten-Kommission:

www.the-hutton-inquiry.org.uk

Artikel erschienen am 23. Aug 2003

©Copyright 2003, Die Welt (Germany)

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